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Montag, 9. September 2019

Alltagssegen

Wie fein sind doch kleine Freuden
was waren nochmal die großen?
Vielleicht erlebe ich keine mehr
oder interessiere mich nicht mehr für sie
jedenfalls liebe ich die kleinen sehr
und möchte nicht tauschen
für nichts in der Welt. 


Rosenduft, fruchtig und pudrig.

Verborgenheit.

Bezaubert sein.

Hortensienblüten, an denen nur noch am unteren Rand Blütenblätter hängen. Sie sehen wie kleine verzierte Regenschirme aus.

Ungeschminkt sein und es gut, okay oder egal finden.

Stundenlang im Café sitzen, lesen und schauen.
 

Mit der Gabel Muster auf Tortenstücke malen.

Freundliche Anonymität.

Lebensmittel auf dem Markt und im Unverpackt-Laden einkaufen.

Es vor dem Regen nach Hause schaffen.

Gewitter mit Donnergrollen, Blitzen und allem Drum und Dran.

Kleine praktische Probleme lösen.


Häuslichkeit.

Einfach nur atmen.
 

Weit geöffnete Fenster. 

Zusehen, wie sich die Tomaten vor dem Fenster von Grün über Orange zu Rot verfärben.

Das Ticken einer Uhr als einziges Geräusch.

Parks.

Langsamkeit.

Nicht mithalten können und wollen. Eigensinn.
 

Das Quaken von Fröschen.

Eigene Notizen nochmal lesen und sie daneben finden. Eigene Notizen nochmal lesen und sie großartig finden.

Schlafende Kinder.


Wimmelbücher.

„Arme Ritter“ essen.

Einfachheit.

Der Reichtum und die Unermesslichkeit des Lebens.


Dankbarkeit.

Rieseln (als Gefühl, als Geräusch und als Anblick).

Hüpfen.


Dinge benutzen oder tragen, bis sie auseinanderfallen.

Reiselust. Daheimbleiblust.

Nebelmorgen.

Komplett verregnete Tage.

Zu Fuß gehen.

Die Hände frei haben.

Kein roter Faden.

Höfliche Menschen, ohne Etikette.

Gedichte lesen.


Bibliotheken.

Zen-Meister, die auf dem Totenbett sagen, sie wollen nicht sterben.

Aufrichtigkeit.

Bücher nochmal lesen, die einen einmal sehr angesprochen haben, und sie jetzt fast unerträglich finden. Bücher nochmal lesen und sie immer noch mögen.

Durchgestylte, hochwertige Einrichtungen bewundern, doch so nicht wohnen wollen. Die „Seele“ des Gewöhnlichen, Unperfekten lieber haben.

Kuhlen.

Murmeln (in beiden Bedeutungen).


Dem Abendhimmel beim Dunkelwerden zuschauen. All die Nuancen zwischen Hellblau, Blau und Schwarz.

Ein frisch bezogenes Bett.

Keine Stechmücke im Zimmer haben.


Den Kopf auf die kühle Seite des Kissens drehen.

Die Beine nicht rasieren. Endlich wieder glatte Beine haben.

Am liebsten allein sein.

Die Farbe von Mohnsamen. Wenn ganz viele zusammenkommen, ist es ein wunderschönes Blauschwarz.

Etwas übers Essen streuen oder zwischen den Fingern zerreiben.

Der Duft von luftgetrockneter, sonnenbeschienener Wäsche. Immer wieder daran riechen müssen.


Sammelsurien.

Besonders sein. Gewöhnlich sein.



Mopedfahren. Fahrtwind. Flattern.


Umwege.


Staunen.


Buttercroissants.


Zweitklassigkeit. Drittklassigkeit. Durchschnittlichkeit. Erfolg nach eigenem Maßstab. Oder nach gar keinem.


Der erste Tag im Herbst, an dem der Duft von verheiztem Holz durchs Dorf zieht.


Ein leerer Posteingang.


Provisorien, die ewig halten.


Wohlige Schläfrigkeit.


Nach längerer Zeit mal wieder einen Ort aufsuchen oder ein Angebot nutzen und feststellen, dass sich daran nichts verändert hat.


Zitronenduft, der an den Fingern hängen bleibt.

Die Klänge, die von fern ans Ohr dringen, wenn jemand ein Musikinstrument spielt, am liebsten wenn er übt oder einfach klimpert.

Nicht gendern beim Schreiben.

Ein Strauß Lilien, der so intensiv duftet, dass er nachts aus dem Zimmer gestellt werden muss.


Kaffee zubereiten am Morgen: das Zuschrauben der Kanne, die blaue Flamme des Gasherds. Das Röcheln, der Dampf und dann der Duft.

Jazz-Musik zum Frühstück.

Kristalle im Fenster, die bei Sonnenschein bunte Lichtpunkte durch den Raum tanzen lassen.

Barfuß laufen.

Schäfchenwolken.

Pflanzen, die aus Stein wachsen.

Läden, die keinen Namen haben.

Verliebt sein. Nicht mehr verliebt sein.


Selbstgebackenes Brot.

Sich prägnant ausdrücken. Rumstammeln und ausschweifen.

Nachlässigkeit. Sorgfalt.

Witzige, schöne oder weise Postkartensprüche lesen. „Ich bin vielseitig desinteressiert.“


Kein Ende finden.

Rankings nicht mögen. In Rankings kleine Perlen entdecken: „Ehrlich gesagt, meine Liebe, das ist mir egal.“ (bestes Filmzitat aller Zeiten, aus Vom Winde verweht)

Ins Grüne blicken.

Dinge sein lassen oder sie immer wieder verschieben. Irgendwann erledigen sie sich von selbst, es kommt der rechte Moment oder auch nicht.


Beim Spazierengehen Äpfel und Birnen aufsammeln. Ihr süßer Duft.

Sich nicht entscheiden können. Klare Entscheidungen treffen.

Keine Erklärungen haben.
 

Nachts aufwachen, und der Mond scheint ins Zimmer.

Kuchen zum Frühstück.
 

Wörter in anderen Sprachen, die nicht ohne Weiteres übersetzbar, nur vielleicht ein kleines bisschen fühlbar sind.

Über fremde Bräuche lesen, erschaudern und fasziniert sein.


Raubkatzen.

Den Schutzumschlag von Büchern abnehmen, um zu sehen, wie der Einband aussieht.


Kein Gedöns machen.

Aufräumen und Sachen aussortieren. Platz schaffen für Neues, das sich ansammeln wird.


Frisch gebadete und pedikürte Füße. 

Zu nichts Lust haben. Irgendwas machen. Oder nur dasitzen.

Neues ausprobieren. Beim Alten bleiben.


Nichts Wichtiges zu sagen haben. 

Bummeln.

Ein Ende finden :).