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Sonntag, 18. März 2018

Wenn ich ein Gesetz erlassen könnte ...

Neulich las ich im Jenaer Stadtmagazin die Seite mit Statements von Leuten, die auf der Straße zu einem bestimmten Thema befragt werden, à la Was würdest Du tun .... Diesmal war die Frage, was der jeweilige Mensch machen würde, wenn er ein beliebiges Gesetz erlassen könnte.

Ein oder zwei Antworten fand ich ziemlich gruselig, andere nicht relevant für mich und wieder andere sehr sympathisch: Zum Beispiel die, verkaufsoffene Sonntage zu verbieten, oder die, alle Gesetze gleich ganz abzuschaffen, damit Menschen nicht unnötig eingeschränkt werden (Gewalttaten begingen sie ja auch so). Das sagte jemand, der daran glaubt, dass Freiheit besser ist als Zwang und das Gute im Menschen größer als das Schlechte. An dieser Stelle liebe Grüße an Vasco, 28, Beruf heute hier, morgen dort.

Also, wenn ich ein Gesetz erlassen könnte, wenn ich für einen Tag Diktatorin dieses Landes wäre, dann würde ich alle Menschen zwingen, das Buch 1000 Euro für jeden. Freiheit, Gleichheit, Grundeinkommen. von Götz Werner und Adrienne Goehler zu lesen. Das Volk müsste allen Druck und alle Hetze hinter sich lassen und sich voller Muße und Leselust aufs Sofa oder in die Hängematte legen (jaja, die vielbeschworene Hängematte, denn mit einem BGE würde ja niemand mehr arbeiten, schlimm). Vorher könnten sich die Leute einen Tee machen, ein Bier holen oder was auch immer der Steigerung ihrer Arbeitsmoral dienlich wäre. Sie könnten sich auch in ein Café oder raus in die Sonne (naja, in den Schnee) setzen und auf Staatskosten einen Milchkaffee und ein Stück Kuchen bestellen. Nun wären alle angehalten, mit einem frischen Geist und offenen Herzen tätig zu werden, fleißig ans Werk zu gehen, wertschöpfend zu sein, der Volkswirtschaft zu dienen. Das heißt, zu lesen, innezuhalten, nachzudenken und in sich hineinzuhorchen. Das Buch müsste von allen durchgelesen werden, zwingend von vorn bis hinten, in schweren Fällen mehrmals hintereinander. Dazu hätte jede*r mehrere Tage oder von mir aus ein paar Wochen Zeit, da wäre ich gnädig. Alle übrige Arbeit müsste in dieser Zeit ruhen, mit den wirklich wichtigen Dingen wie etwa Brotbacken, Gemüseernten, Saubermachen oder der Versorgung von Babys und Kranken müssten sich alle abwechseln. Und die Kuchen und Kaffees in den Cafés müsste natürlich jemand machen, ebenso müssten Tee, Bier, Wein & Co. an der Hängematte nachgereicht werden. Musiker dürften zur Untermalung der kollektiven Be-Geisterung aufspielen, Poeten Gedichte schreiben, und noch ein paar andere Dinge mehr wären erwünscht, das müsste ich mir noch genauer überlegen. Ach ja, Kinder und Tiere dürften natürlich die ganze Zeit über machen, was sie wollten. Ja, so wäre das, und wenn dann alle fertig wären mit der Lektüre, könnten wir am darauffolgenden Tag das Bedingungslose Grundeinkommen einführen, weil alle Menschen das Thema endlich richtig kennengelernt und verstanden hätten. Weil sie eingesehen hätten, dass es menschenfreundlich, schön, rational und dringend notwendig ist. Weil nämlich jeder auch nur halbwegs intelligente, intuitive und initiative Mensch das BGE einfach verstehen und begrüßen muss, und mein Volk bestünde natürlich nur aus solchen Menschen, deswegen hätten sie ja auch mich als Herrscherin auserkoren.

Ja, wenn ... Wenn ich doch bloß das Sagen hätte ... ;)

So bleibt mir nur zu hoffen ... Und mich dafür einzusetzen und gespannt zu sein, ob/dass das BGE früher oder später kommen und die Last der Arbeitsfron von den Schultern dieser Gesellschaft nehmen wird – weil die Dreifaltigkeit aus (Erwerbs-)Arbeit, Geld und Konsum in Zeiten materiellen Überflusses und zunehmender Virtualisierung von Gütern nämlich längst nicht mehr wie ein Damoklesschwert über uns schweben muss. Ahhh ... Auf dass ein Ruck* und ein Seufzen durch Deutschland gehe, ein frischer Wind die Köpfe streife, ein bunter Wirbel wehe, aus Muße, Sinn und neuer Leistungslust, aus Freundlichkeit und Fairness, Offenheit und Augenhöhe, Mitgefühl und Vertrauen. Auf dass das Edle im Menschen die historisch einmalige Chance bekomme, einmal etwas stärker hervorgelockt zu werden. Vasco würde sich bestimmt auch freuen. Denn nach dem Fressen kommt doch eigentlich die Moral, zumindest wenn Brecht recht hatte?

*Nicht mit allem aus Roman Herzogs berühmter Rede von 1997 stimme ich überein, z. B. erscheinen mir unbedingtes Leistungsdenken, Arbeitsplatzschaffung und Wirtschaftswachstum fragwürdig. Auch fehlt die ökologische Frage in der Rede völlig. Aber der Appell, aus Überholtem aus- und in eine „frischere“ Gesellschaft aufzubrechen, den finde ich gut – und nach 20 (!) Jahren, in denen sich vieles zum Schlechteren verändert hat, aktueller und brisanter denn je. Let’s go?

Übrigens: Ich verlose hiermit fünf Exemplare des oben genannten Buchs. Wenn Du eins davon haben möchtest, schreib mir bitte in einer E-Mail (Adresse siehe unter Kontakt) Deine Anschrift, was Du vom BGE hältst und wie es Dein Leben vielleicht verändern würde. Und natürlich verpflichtest Du Dich, das Buch auch zu lesen, unter den oben beschriebenen Bedingungen ;).