Ich möchte neben den Gedanken und Links aus dem Post vom 2. Februar noch sehr den obigen Bericht von Ralph Boes aus Berlin ans Herz legen. Seine Erzählung ist ein großartiges, klares, leidenschaftliches Plädoyer für Menschenwürde, Freiheit, Selbstbestimmung – und das BGE. Es anzuhören, darüber nach- und mitzudenken, sind zwei ausgezeichnet „investierte“ Stunden, wie ich finde.
Ralph Boes spricht über diese Dinge anhand der Hartz-IV-Problematik und der Unrechtmäßigkeit der sog. Eingliederungsvereinbarung, die Hartz-IV-Empfänger (tatsächlich „Kunden“ genannt, obwohl „Sklaven“ ehrlicher wäre) unterschreiben müssen – bzw. die sie eben auch, dank Ralph Boes‘ Vorarbeit, korrigieren und individuell ändern können, damit sie rechtskonform(er) ist. Diese „Vereinbarung“ („Verordnung“ trifft es wohl eher) muss man unterschreiben, um Hartz-IV-Leistungen in Anspruch nehmen zu können. Ich habe dank des Videos viel gelernt über dieses Instrument, seine Sanktionen und darüber, wie erpresserisch und kontrollierend es ist. Es ist eine gewisse soziale Existenzsicherung, das ist gut, aber sie ist an Bedingungen geknüpft, die beschämend sind, vor allem für eine Ära, in der Maschinen und Computer mehr und mehr Arbeit übernehmen, die Regale in den Läden mit Waren überquillen und Arbeit von Menschenhand und Menschenkopf (!) immer überflüssiger oder unabhängiger von der Geldlogik wird. Außerdem ist bezahlte Arbeit für alle („Vollbeschäftigung“) fast immer nur eine Illusion gewesen. Wir spielen hier also seit Jahrzehnten „Reise nach Jerusalem“ mit Arbeits- bzw. Einkommensplätzen – leider oder zum Glück fehlen dabei Millionen Stühle!
Menschen also dafür zu verurteilen, dass sie „arbeitslos“ sind – das ist zynisch und kein individuelles Problem, sondern ein strukturelles. Vielmehr, es ist ein Denkfehler, eine Gegebenheit, für die es neue Lösungen und Experimentierfreude braucht: Warum geben wir uns nicht gegenseitig ein Grundeinkommen? Und arbeiten weniger, verteilen so die Arbeit auf mehr Schultern und geben uns die Chance, mehr Zeit zu haben und verschiedenste Dinge zu tun, bezahlt wie unbezahlt, und manche gar ganz zu lassen? Das Thema Hartz IV offenbart außerdem eine (noch) verbreitete Verlogenheit bzw. zumindest eine Ignoranz, die mich traurig und wütend macht. Leider scheinen sich die meisten Menschen, mich selbst bisher eingeschlossen, kaum mit diesem Problem zu befassen, weil es so unbequem und „uncool“ ist – man ist froh, wenn es einen selbst nicht betrifft und schiebt es ansonsten gern von sich weg. Aber was ist das für eine blamable Haltung?
Artikel 1, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 1949:
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Artikel 1, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Vereinte Nationen, 1948:
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.
Wollen wir das wirklich drangeben? Oder es lieber in neuem Maße leben?