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Dienstag, 11. Mai 2021

Momentnotizen

Der Schatten von kleinen Wellen im Wasser.

Gespräche anderer Menschen mithören, die die Gedanken anregen, in welche Richtung auch immer, oder einen zu Tränen rühren. (Oh, wie vermisse ich Cafébesuche.) Zum Beispiel die Bemerkung einer Kellnerin in einem Frankfurter Eiscafé, die ihrer Kollegin von unverschämten Gästen erzählte und wie sehr sie das angegangen hat: Ich glaube, ich habe einfach keine zweite Haut.

Das Café heißt Bizziice. Beim ersten Besuch das Wort in einem Rutsch gelesen und gedacht haben, es sei vielleicht ein türkischer oder italienischer Nachname. Auf die gleiche Art als Kind Tatort als ein Wort gelesen haben und Schaumainkai als Schau-ma-in-Kai. Sprache und all ihre Freuden und Verwirrungen.

Filmreife Szenen miterleben, in denen man fast darauf wartet, dass das Geräusch einer Klappe ertönt und jemand ruft, „Okay, danke, wir haben die Szene im Kasten!“ (Oh, wie vermisse ich Zugfahrten.)

Der Lebensfilm in all seinen Filmen. 

“The longer I listened [to a woman in a bar in San Francisco giving a guy from Denmark a ‘travelogue’ about her trips to Europe, in a hard-boiled, rating-everything way, the apparent opposite of someone appreciating and being interested in the places they visit], the more tired I became, a kind of profound bottomless existential exhaustion. I felt I might drown right here in We-Be Sushi, face down in my miso soup, from the sheer futility of it all.” (Tosha Silver, im Buch Outrageous Openness)

Mit Sätzen oder Passagen oder Szenen in Büchern so sehr in Resonanz gehen, dass es einem fast schwindlig wird. Gruselig, lustig oder unendlich wohlig schwindlig.

„Die Welt, in der ich mich bewege, ist normalerweise rosarot, hat reichlich Platz und Tiefe, man kann frei atmen, und alles Mögliche öffnet und schließt sich in schwindelerregendem Tempo. Wenn ich mit anderen Menschen zu tun bekomme, wird sie etwas enger, aber das quält mich nicht sonderlich, denn ich kann ja bald wieder in meine eigene Welt zurückkehren.“ (Banana Yoshimoto, Überhaupt nicht warm, in: Erinnerungen aus der Sackgasse)

Das Gefühl, dass eine solche Art zu sein etwas extrem ist, vielmehr: intensiv. Es aber nicht wirklich anders können und wollen. Es nicht ablehnend meinen. Und wissen, es kann nicht falsch sein. Alles, aber wirklich alles, sind Erforschungen und Ausdrucksformen des Lebens.

Neue Wahrnehmungen und Perspektiven erkunden, Obsessionen pflegen, Aspekte wieder verwerfen. Nein, nicht wirklich verwerfen. Das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Und wenn doch, es immer irgendwie retten können. Nichts ist jemals verloren. 

An Orten, Wohnungen oder Häusern vorbeigehen und sich fragen, wie es wohl wäre, dort zu wohnen. Oder einfach nur zu sagen, Oh, das ist aber schön, und ein paar Jahre später wohnt man selber dort. (Das passiert mir gerade zum zweiten Mal ... Liebes Leben, Chapeau & Dank!)

Treffen sich Enge und Weite: „Jetzt bleib mal auf dem Teppich! – Gerne, aber nur wenn‘s ein fliegender ist!“

Der erste Amselgesang im Jahr. Und der letzte. Und dass man das im zweiten Fall nicht sicher weiß.

Und jetzt die Schwalbenflüge.

Gutes Brot, gehaltvoll und mit Kruste, die den Zähnen auf wundervolle Art etwas zu tun gibt. Wie nach langer Zeit mal wieder einen Apfel pur zu essen, statt ihn in einem Smoothie zu zermahlen.

Lieblingsmahlzeit Frühstück. Die Fülle an Gerichten, ob gekauft oder selbstgemacht, ob zuhause oder anderswo.

Wenn Jein die beste Antwort ist.

Wenn nicht mehr gesagt werden kann. Und auch nicht muss.

Wenn der Regen nicht vom Himmel fällt, sondern durch die Luft fliegt, weht, geschoben wird. Und wie das zu dem Gedanken anregt, dass es alles irgendwie dasselbe ist: Fallen, Steigen, Schieben, Wehen, Schweben, ...

Die Zeiger einer Uhr, vom Sonnenlicht beschienen. Sie werfen eine Reflexion an die Wand. Was für eine schöne Art, die Uhrzeit darzustellen beziehungsweise eben nicht.

Natur- und Tierdokus im Fernsehen. Ohne Ton. Einfach nur die wunderschönen Bilder genießen.

Eine Nacht drüber schlafen. Wie Dinge sich setzen, entspannen, sortieren, zurechtmorphen. Ständig eigentlich, nicht nur nachts.

Mit geöffnetem Fenster schlafen und frühmorgens vom Gesang der Vögel geweckt werden. Und der Mond steht noch am Himmel. Beglückt wieder einschlafen.

Ein Mädchen im Drogeriemarkt: Der Papa geht zügig direkt zu den Regalen, sie bleibt am Desinfektionsspender stehen und benutzt ihn mit Freuden. Wie ein Spiel. Genauso hätte ich es als Kind vielleicht auch gemacht. „Oh, was Neues, eine Abwechslung! Will ich machen!“ Auch als großer Mensch kann es immer noch ein Spiel sein, wenn man mag. (Trotzdem ist mir nicht nach ständigem Händedesinfizieren.)

Geliebte Kindlichkeit. Und die Differenziertheit von erwachsener, gewachsener, stets wachsender Wahrnehmung.

Die Blumenkästen vor dem Fenster frisch bepflanzen – statt Braun neben Heidekraut seit einiger Zeit frisches Grün und Bunt im Blick. Durch die lange Kälte hat sich eine Hyazinthe erst im Mai dazu entschlossen zu blühen. Alles ist eben etwas später dieses Jahr (oder der Kalender ist zu früh dran).

Die Schönheit von fremden Schriften. Georgisch, Arabisch, Chinesisch, Japanisch, zum Beispiel. Wie kleine Gemälde, kleine Kunstwerke.

Die Freude an sowohl-als-auch, in so vieler Hinsicht. Auf etsy nach Werken mit &-Buchstaben suchen. Die Fülle an Angeboten und die Qual der Wahl. Die Freude der Wahl. Sie fällt auf dieses und dieses.

Über das Wort Leidenschaft nachdenken. Enthusiasmus lieber mögen (es heißt in Gott, von Griechisch: en theos). Und das geht passioniert und sehr still und alles dazwischen. 

Die Schönheit von Nuancen.

Tag 14 „Eine Zimmerreise unternehmen“ im Buch Gebrauchsanweisung fürs Daheimbleiben von Harriet Köhler lesen und aus vollem Herzen zustimmen, wie so vielem in den anderen Kapiteln. Selbst schon unzählige Stunden damit verbracht haben, einfach nur im Sessel, auf dem Bett oder am Schreibtisch zu sitzen oder zu liegen, die Gedanken wandern und den Blick schweifen zu lassen, durchs Zimmer oder aus einem Fenster („Fensterreise“ heißt es in dem Buch so schön). Äußerlich passiert „nichts“, innerlich so viel.

Neben der Zimmertür ein Zitat von Franz Kafka hängen haben, einst per Schreibmaschine geschrieben, das Zettelchen schon vergilbt und eingerissen: „Es ist nicht notwendig, daß du aus dem Haus gehst. Bleib bei deinem Tisch und horche. Horche nicht einmal, warte nur. Warte nicht einmal, sei völlig still und allein. Anbieten wird sich dir die Welt zur Entlarvung, sie kann nicht anders, verzückt wird sie sich vor dir winden.“

Konfetti.

Lieber Kugel sein als Würfel. Es rollt sich so besser.

Leichtigkeit und Fließen und Freude so sehr lieben. Wenn geliebte Lebensfacetten und -gefühle etwas verschütt gehen und dann wieder zum Vorschein kommen, erneuert, erfrischt, erweitert. Wie sich alles ständig wandelt und neu justiert und mehr wird, geborgen in der unendlichen Großzügigkeit des Lebens.

Wenn der Mond nachts einen Lichtstreifen auf mein Bett wirft, weil das Rollo einen Tick zu schmal ist.

Versinken.

Neue Kapitel und gemischte Gefühle. So viele Herzen in einer Brust. Vorfreude, Euphorie, Befriedigung, Unbehagen, Wehmut. Wie alles miteinander tanzt und sich dabei wandelt, manches schneller, manches langsamer, manches offensichtlich und greifbar, anderes nur vage spürbar. Und wie es keine falschen Entscheidungen und Wege gibt.

Der Quantensprung, den die Bäume dieser Tage in ihrem Wandel gemacht haben: Plötzlich ist‘s sommerlich warm, und die Blätter schießen heraus wie verrückt. G R Ü N ! Und neue Liebe für mein Zuhause.

Ein Joghurtglas als Vase für ein kleines Blumensträußchen mit Ranunkeln. Es sieht wunderschön aus, genau so. Ich mag es sehr, wenn die Dinge sich einfach so ergeben.