"Dass Liebe die Welt regiert – eine uralte Utopie. In einem brasilianischen Werbespot wird sie für ein paar Sekunden Wirklichkeit. Südamerika: An der Supermarktkasse fallen die Kunden den Verkäuferinnen in die Arme. Europa: Passanten klopfen der Straßenmusikantin enthusiastisch auf die Schulter. Afrika: Ein Schuhputzer wird mit einem dicken Schmatz auf die Stirn entlohnt. Asien: Nach getaner Arbeit bekommt der Kofferträger eine Schultermassage spendiert, und die mollige Fischverkäuferin wird quer über die Auslage geherzt. Der Kameraschwenk über die Kontinente wird begleitet von kuscheligem Louis-Armstrong-Jazz. Die Pointe des Films: Wenn Liebe das Geld ersetzt, dann ist sie plötzlich da, die vollkommene Welt.
Könnte man ja eigentlich mal ausprobieren, sonntags vielleicht, wenn man sowieso nicht viel Geld ausgibt. Im Bus, an der Kinokasse, bei der Blumenverkäuferin oder im Restaurant. Nun sind aber Umarmungen, Küsse und andere körperliche Sympathiebekundungen nicht jedermanns Sache – vor allem nicht in Nordwestdeutschland. Für Spanier, Franzosen, Ukrainer oder Kroaten ist das schwer zu verstehen. Sie frösteln und fremdeln bei so viel Distanz, selbst im Hochsommer. Denn das Küsschen auf die Wange, das Herzen und Kosen, es wärmt und macht Freunde und lässt die Augen leuchten. Und überhaupt: froh macht es. Übrigens: Ein einziger Blick, so haben nichtrepräsentative Studien ergeben, kann so viel Wärme erzeugen wie 61 Prozent der deutschen Heizkraftwerke."
(Matthias Lemme)
Entdeckt im Buch „sonntags“ von Andere Zeiten
Übrigens: Dass Liebe die Welt regiert, ist keine Utopie – wenn wir sie leben. Und wir leben sie schon, tief drinnen, sonst wäre die Welt längst nicht mehr... Darf’s ein bisschen mehr sein? :)